Gau-Bischofsheim, Rheinland-Pfalz

Lückenhafte Erinnerung an den „verbotenen Umgang“

In Gau-Bischofsheim bei Mainz erwähnt eine Informationstafel am alten Rathaus polnische Zwangsarbeiter. An Einzelschicksale, wie die von Stanisław Tabor und Philipine Becker, die für den ihnen zur Last gelegten „verbotenen Umgang“ ins Konzentrationslager kamen, wird im öffentlichen Raum nicht erinnert.

Ein Schulraum als Lager für Zwangsarbeiter aus Polen

Im nördlichen Rheinhessen liegt einige Kilometer südlich von Mainz die Gemeinde Gau-Bischofsheim. Fährt man die Steigstraße ins Dorf hinunter, stößt man in der Mitte des Ortes auf das alte Rathaus, das vor dem Krieg als Schulhaus und Lehrerwohnung diente. Seine Geschichte wird am Gebäude auf einer Tafel dargestellt. Auf ihr findet sich auch der knappe Satz: „Während des 2. Weltkrieges wurde der Schulraum in eine Lagerstätte für polnische Kriegsgefangene umfunktioniert.“ Sie waren fast ausnahmslos zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft verpflichtet – was im Ort wie in ganz Rheinhessen üblicherweise bedeutete: auch im Weinbau – und zumeist zentral im Schulgebäude untergebracht.

Stanisław Tabors Postkontrollkarte aus dem Konzentrationslager Dachau, ohne Eintrag von Postverkehr. Meist wussten die Häftlinge nicht, wo sich ihre Verwandten befanden und wohin sie hätten schreiben sollen.

Bild: Arolsen Archives, DocID 3239014.

Weinberge bei Gau-Bischofsheim, im Hintergrund der alte Ortskern mit Kirche. Stanisław Tabor leistete bei einem Winzer Zwangsarbeit.

Bild: Christof Schimsheimer, 2024.

Für den „verbotenen Umgang“ ins Konzentrationslager

Zu den polnischen Zwangsarbeitern, die in Gau-Bischofsheim in der Landwirtschaft arbeiteten, gehörte auch der im kleinpolnischen Częstoszowice vermutlich 1916 geborene Stanisław Tabor, der von Beruf Koch war. Er und Philipine Becker, die 1920 in Gau-Bischofsheim geboren wurde, hatten ein Verhältnis. Das wurde den Behörden zur Anzeige gebracht. Für die beiden jungen Menschen gab es kein Entrinnen mehr. Die Deutsche kam als politischer Häftling, weil sie „Verkehr mit einem Polen“ gehabt hatte, am 21. Januar 1943 ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Stanisław Tabor durchlief bis zu seinem Tod mehrere Konzentrationslager: Natzweiler, Dachau, Neuengamme.

Philipine Becker überlebte das Konzentrationslager und wohnte auch nach dem Krieg in ihrem Heimatort Gau-Bischofsheim. Sie heiratete einen ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter, der wie weitere seiner verbliebenen Landsleute nach dem Krieg im Ort ansässig geworden war.

Im öffentlichen Raum erinnert heute ein Kriegsdenkmal auf dem Friedhof an die deutschen „Opfer des Krieges“. Der NS-Opfer Stanisław Tabor und Philipine Becker wird dort nicht gedacht, vergessen ist ihr Schicksal aber noch nicht.

Informationstafel mit der Erwähnung der „Lagerstätte für polnische Kriegsgefangene“.

Bild: Christof Schimsheimer, 2021.