Hinzert, Rheinland-Pfalz

Westeuropäische Résistance und „E-Polen“

Das bei Hermeskeil im Hunsrück gelegene Lager Hinzert erfüllte im nationalsozialistischen Lagersystem mehrere Funktionen.
Unter anderem wurden hier viele Polen gefangen gehalten, um einem „Wiedereindeutschungsverfahren“ unterzogen zu werden.

Ein Lager mit vielen Funktionen

Das Lager Hinzert wurde im Frühjahr 1939 als der Gestapo unterstehendes Haftlager für zunächst deutsche Arbeiter, denen beim Bau am „Westwall“ Arbeitsscheue vorgeworfen wurde, eingerichtet. Zum „Arbeitserziehungslager“ weiterentwickelt, diente es im Krieg der Disziplinierung und Bestrafung der ausländischen Zwangsarbeiterschaft, z. B. bei wiederholten Verstößen gegen die „Polenerlasse“. Im Juli 1940 wurde Hinzert der SS unterstellt und zu einem eigenständigen Konzentrationslager mit weiteren Funktionen. Zunehmend wurden auch politische Gefangene aus den von Deutschland besetzten Ländern Europas nach Hinzert verschleppt, darunter luxemburgische, französische, niederländische und belgische Widerstandskämpfer.

Die Häftlinge arbeiteten unter schwersten Bedingungen in über 20 Außenkommandos. Sadistische Schikane und Misshandlungen durch das Wachpersonal waren an der Tagesordnung.

Auf dem ehemaligen Häftlingsfriedhof wurden die Toten teilweise nur verscharrt; in der Nähe befinden sich Massengräber. Deshalb wurde das Areal von polnischen Häftlingen auch „Klein-Katyn“ genannt.

Bild: Claude Meisch, 2018, Lizenz CC BY-SA 4.0.

Polnische Häftlinge in Hinzert

Zwischen 1942 und 1944 diente Hinzert auch als Aufnahmelager für die Überprüfung der „Eindeutschungsfähigkeit“ von polnischen Zwangsarbeitern, die wegen verbotenen Umgangs mit deutschen Frauen verhaftet worden waren – sogenannte „E-Polen“ (siehe Die sogenannte „Eindeutschung“ von Polen).

Massenhinrichtungen

Im Lager wurden Gefangene durch Injektionen oder verschiedene Foltermethoden gezielt getötet. Drei Mal wurden Gruppen nur zum Zweck ihrer Hinrichtung nach Hinzert gebracht: Mitte Oktober 1941 waren es 70 sowjetische Gefangene, im September 1942 eine Gruppe von 20 und im Februar 1944 eine Gruppe von 23 Luxemburgern. Sie wurden in Massengräbern im Wald verscharrt. Insgesamt wurden zwischen September 1939 und März 1945 mehr als 13.600 Männer aus 20 Ländern nach Hinzert deportiert. Mindestens 321 starben, wobei verschiedene Quellen nahelegen, dass es tatsächlich mehr waren. Wie viele Polen sich darunter befanden, ist unbekannt.

Auf den 1946 von der französischen Militärverwaltung angelegten „Ehrenfriedhof“ wurden 217 zuvor im Umfeld verscharrte Tote umgebettet.

Bild: Claude Meisch, 2008, Lizenz CC BY-SA 3.0.

Zögerliche Aufarbeitung

Ehemalige Häftlinge errichteten im Oktober 1945 auf dem Häftlingsfriedhof das „Hinzerter Kreuz“. Seit den 1950er Jahren wurde ein Großteil des Lagergeländes wieder von den vorherigen Besitzern landwirtschaftlich genutzt.

Kurz nach dem Krieg gab es bereits die ersten Prozesse gegen den Kommandanten und SS-Wachmänner aus Hinzert. Noch bis ins Jahr 1961 wurde vor verschiedenen Gerichten verhandelt. Zunächst wurden einige Todesurteile gefällt, von denen letztendlich nur eins vollstreckt wurde. In weiteren Fällen gab es trotz erwiesener schwerer Verbrechen sehr milde Strafen oder Freisprüche.

In der regionalen Erinnerung spielte das Lager lange Zeit kaum eine Rolle. Erst in den 1980er Jahren begann vor Ort das Interesse an der Geschichte zu wachsen, befördert durch die Aktivitäten politischer und kirchlicher Organisationen. Im Jahr 2005 konnte schließlich das Dokumentations- und Begegnungshaus eröffnet werden, das eine Dauerausstellung der Landeszentrale für politische Bildung zur Geschichte des Lagers zeigt.

Bronzeplastik des Luxemburger Künstlers Lucien Wercollier (1908–2002), der als Widerstandskämpfer in Hinzert inhaftiert war, mit abstrahierten Häftlingsgestalten und Feuerschale (1986).

Bild: Claude Meisch, 2008, Lizenz CC BY-SA 3.0.