Hinzert, Rheinland-Pfalz

Die sogenannte „Eindeutschung“ von Polen

Im Juli 1941 wurde durch den Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, die Bestrafung von polnischen Zwangsarbeitskräften bei vermeintlichen intimen Kontakten zu Deutschen geändert. Es sollte nun zuerst eine „rassische Beurteilung“ erfolgen.

„Eindeutschung für die Kriegswirtschaft“

Das Verfahren der automatischen Strafen für Polinnen und Polen für „verbotenen Umgang“ mit Deutschen wurde im Juli 1941 durch den Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, geändert: Der Hinrichtung durch Erhängen, verschleiert als „Sonderbehandlung“, sollte eine „rassische Beurteilung“ vorausgehen, um möglichst viele Arbeitskräfte zu erhalten. Bereits 1940 formulierte Himmler das übergeordnete ideologisch-rassistische Ziel:

„[…] einerseits, rassisch wertvolle Familien
dem deutschen Arbeitseinsatz zuzuführen, andererseits, dem polnischen Volkstum diejenigen nordisch bestimmten Familien zu entziehen, aus denen sich erfahrungsgemäß die polnische Führerschicht […] zu ergänzen pflegt.“

Es wurde ein „Wiedereindeutschungsverfahren“ entwickelt. Überstanden die beschuldigten Männer die langwierige und vielen willkürlichen Faktoren unterworfene rassistische Beurteilung nicht, wurden sie hingerichtet.

Das Verfahren wurde nicht nur im Falle „verbotenen Umgangs“ eingesetzt: Zwischen 1940 und 1944 wurden aus den besetzten polnischen Gebieten mit deutsch-polnisch gemischter Bevölkerung 30–35.000 männliche Polen zur „Wiedereindeutschung“ verschleppt, was zumeist Lager und Zwangsarbeit bedeutete. Tausende „wiedereindeutschungsfähige“ Polinnen mussten als Hausmädchen bei SS-Mitgliedern arbeiten.

Diejenigen, die diese Beurteilung nicht überstanden, wurden in Konzentrationslager eingewiesen. War der Grund für das Wiedereindeutschungsverfahren allerdings der Vorwurf des verbotenen intimen Umgangs gewesen, wurden die beschuldigten Männer hingerichtet, nachdem ihr Verfahren negativ beschieden worden war.

Neu angekommene polnische Häftlinge legen ihre Kleidung ab, bevor sie gewaschen und rasiert werden, um 1940. Es lässt sich von der Fotografie her nicht beurteilen, ob sie zur „Wiedereindeutschung“ nach Hinzert deportiert worden sind.

Bild: United States Holocaust Memorial Museum, Lorenz Schmuhl Papers.

Rassistische Musterung und Willkür 

Das vorgesehene Verfahren und die Praxis klafften weit auseinander. Wurde ein Pole des „verbotenen Umgangs“ beschuldigt, sollte die Staatspolizeistelle per Musterung das Vorliegen „rassischer“ Voraussetzungen überprüfen. Fiel das Ergebnis positiv aus, wurde der sogenannte „E-Pole“ (E für Eindeutschung) zum „Wiedereindeutschungsverfahren“ zugelassen und in das Konzentrationslager Hinzert transportiert, dem ein sogenanntes SS-Sonderlager, in dem bis zu 200 SS-Führer und Wachmannschaften lebten und arbeiteten, angegliedert war.

Nach monatelanger „charakterlicher Überprüfung“ unter schwersten Haft- und Arbeitsbedingungen beurteilte die Lagerleitung die „Wiedereindeutschungsfähigkeit“. Zugleich wurde die Familie einer „Sippenüberprüfung“ unterzogen. War das Ergebnis negativ, scheiterte das Verfahren und der Häftling wurde in ein größeres Konzentrationslager deportiert. Wenn beide Tests positiv ausfielen, sollte die „Wiedereindeutschung“ abgeschlossen und der Häftling entlassen werden.

Doch oft gab es lange Verzögerungen, Abweichungen oder plötzliche Revisionen, alle Schritte hingen von den willkürlichen Einschätzungen einzelner Beteiligter ab. Auch war der Vorwurf des verbotenen Umgangs oft konstruiert:

Józef Krajewski, 1913 in Warschau geboren, war von Beruf Schlosser und verheiratet. Spätestens seit Oktober 1941 leistete er im Südwesten Deutschlands Zwangsarbeit in der Landwirtschaft. Im Juni 1942 wurde er festgenommen, weil er mit einem Fuhrwerk einem Ortsbauernführer nicht weiträumig genug ausgewichen war. Zusätzlich verbreitete sich das Gerücht einer sexuellen Beziehung mit einer deutschen Frau. Nachdem Krajewski von der Gestapo in Neustadt an der Weinstraße verhört worden war, nahm die beschuldigte Frau sich das Leben, was als Schuldeingeständnis gewertet wurde. Krajewski bestand die „rassische Überprüfung“ und wurde nach Hinzert geschickt. Doch das Verfahren wurde nicht beendet, und Józef Krajewski, der nur aufgrund von Gerüchten interniert worden war, niemals entlassen. Er bekam eine schwere Lungenentzündung und starb mit 30 Jahren im Oktober 1943.