Kerzenheim, Rheinland-Pfalz
Ermordet und in den Suizid getrieben – Das Ende einer Liebe im pfälzischen Kerzenheim
Der polnische Kriegsgefangene Leon Dudas lernte bei der Zwangsarbeit die deutsche Witwe Elisabeth Brauer kennen. Ihre intime Beziehung, mit der sie gegen die menschenverachtende NS-Ideologie verstießen, endete tragisch. Leon wurde gehängt, Elisabeth nahm sich das Leben und hinterließ einen Sohn. Ein „Lebenszeichen“ vor Ort gibt es nicht.
Leon Dudas – von Galizien in die Pfalz
Leon Dudas wurde am 21. Juli 1916 als Untertan der Habsburgischen Monarchie im galizischen Burkanów nordöstlich von Stanislau (polnisch: Stanisławów), dem heutigen westukrainischen Iwano-Frankiwsk, geboren. Die Region hatte nach der Gründung der Zweiten Polnischen Republik 1918 zu Polen gehört. Nach dem deutschen Überfall auf Polen 1939 wurde Dudas als polnischer Kriegsgefangener ins Deutsche Reich verschleppt und war ab Oktober 1941 als „Zivilarbeiter“ registriert. Im pfälzischen Kerzenheim arbeitete Dudas auf dem Bauernhof des Ortsbauernführers David Schneider und lernte Elisabeth Brauer kennen, die einen sechsjährigen Sohn hatte. Ihr Mann war im
Juli 1941 an der Ostfront gefallen. Dudas und Brauer trafen sich immer wieder, über ein knappes Jahr hinweg, bis sie am 22. September 1942 vom Feldhüter Philipp Bach beobachtet und verraten wurden.
Kein Ausweg mehr
Beide wurden daraufhin von der Polizei verhört und gestanden unter dem immensen Druck ihre intime Beziehung. Noch am 22. September, dem Tag ihrer Verhaftung, wurde Dudas nach Frankenthal überführt und dort inhaftiert. Elisabeth Brauer sah keinen anderen Ausweg, als sich noch am selben Tag durch Suizid der drohenden Deportation ins Konzentrationslager zu entziehen. Sie trank Essigessenz und verstarb tags darauf an den durch die Verätzungen hervorgerufenen inneren Verletzungen im Krankenhaus in Kirchheimbolanden. Im
November 1942 wurde durch die SS im Falle Dudas auf Ermordung ohne Gerichtsprozess – „Sonderbehandlung“ – entschieden. Die Möglichkeit seiner „Eindeutschung“ – ein im Konzentrationslager durchgeführtes rassistisches Prüfverfahren (siehe Lager Hinzert) – wurde abgelehnt.
Am 22. Dezember 1942 wurde Leon Dudas in der Nähe des Ortes, an dem das Paar entdeckt worden war, hingerichtet. Zwei polnische Landsleute wurden von den eigentlichen Henkern dazu gezwungen, die Hinrichtung auszuführen. Weitere polnische Zwangsarbeiter:innen aus der Umgebung mussten dabei zusehen.
Bild: Landesarchiv Speyer, Best. H 91, Nr. 2313.
Schuld und Erinnerung
In diesem besonderen Fall blieb das Verbrechen nicht gänzlich ungesühnt: Der Feldhüter Bach, der Brauer und Dudas denunziert hatte, wurde am 11. Mai 1948 vom Tribunal Général der französischen Militärregierung wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Ein öffentliches Zeichen des Gedenkens existiert bis heute nicht. Michael Wiesheu hat mit seinem 2021 erschienenen „Bericht über die Ermordung des Leon Dudas in Kerzenheim am 22. Dezember 1942“ das Verbrechen in Erinnerung gerufen.
Bild: Christof Schimsheimer, 2023.