Mainz-Mombach, Rheinland-Pfalz

Verengtes Gedenken auf dem Waldfriedhof

Über 3.300 Opfer der NS-Diktatur wurden auf dem Waldfriedhof Mainz-Mombach beigesetzt. Die französischen Alliierten hatten Massengräber in der Region exhumiert, um die Toten zu identifizieren und pietätvoll zu bestatten. So entstand ein großes Sammelgrab für ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kinder und Kriegsgefangene.

Umbettungen von Toten

Ursprünglich befanden sich auf dem Mombacher Waldfriedhof die Gräber von 31 sowjetischen Zwangsarbeitern, die nur wenige Tage vor der Befreiung von der SS auf dem Friedhof erschossen wurden, sowie 41 Einzelgräber weiterer ausländischer Opfer. 

Nach der Befreiung war es das Ziel der alliierten Besatzungsmächte, die Verbrechen der Nationalsozialisten zu dokumentieren und Vermisste zu finden. Sie sammelten Informationen über NS-Verfolgte und versuchten, die in Deutschland verstorbenen und begrabenen Ausländer:innen möglichst lückenlos zu erfassen. In der französischen Besatzungszone exhumierte der französische Suchdienst ausländische Tote, um ihre Identität festzustellen und sie würdevoll zu bestatten. Die französischen Toten wurden dazu nach Frankreich überführt.

Das größte Sammelgrab für NS-Opfer in der Region

Diejenigen, die sie als „osteuropäisch“ identifiziert hatten, legten die französischen Behörden zusammen, um eine angemessene Grabpflege zu ermöglichen. Auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz wurde der Waldfriedhof dabei zu einem der größten Gedenkorte: Bis zum Ende der Besatzungszeit Mitte 1949 ließ die französische Verwaltung die sterblichen Überreste von etwa 3.300 Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter:innen – darunter zahlreiche Kinder – nach Mombach überführen. Die Toten stammten aus der
Sowjetunion, aber auch aus Tschechien und Polen. Die Todesursachen waren meist die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen, Unterernährung, dadurch herbeigeführte Krankheiten, Misshandlung, sowie der Bombenkrieg, vor dem Nichtdeutsche besonders schlecht geschützt waren. Hinrichtungen müssen als weitere Ursache angenommen werden.

Verengtes Gedenken: Wegweiser zum „russischen Ehrenfeld“.

Bild: Christof Schimsheimer, 2020.

Gräberfläche ohne Grabsteine. Die in den Boden eingelassenen Nummernplatten teilen die anonyme Ruhestätte Tausender Menschen.

Bild: Christof Schimsheimer, 2021.

Ein „russisches“ Ehrenfeld?

Im Jahr 1950 stellte die sowjetische Militärverbindungsmission – eine Armeebehörde, die Personal in die Besatzungszonen der Westmächte entsandte – einen Gedenkstein auf. Die russische Inschrift, inzwischen versehen mit einer deutschen Übersetzung, lautet: „Ewiger Ruhm den Kämpfern für die Freiheit! Hier sind begraben 3.330 sowjetische Bürger,
gestorben in faschistischer Gefangenschaft.“ Polnische und tschechische Opfer finden keine Erwähnung.

Der Gedenkstein ist kein Einzelfall. Bemerkenswert ist das später aufgestellte Hinweisschild mit der Inschrift „Russisches Ehrenfeld“. Es zeigt die Defizite im deutschen Erinnerungsbewusstsein im Hinblick auf die Heterogenität, und überhaupt die Präsenz von NS-Opfergruppen aus dem östlichen Europa. Die an diesem Ort bestatteten Opfer aus Ostmit-teleuropa, darunter auch aus Polen, sind nicht Teil des Gedenkens; sie bleiben unsichtbar. Die Gleichsetzung von „sowjetisch“ und „russisch“ marginalisiert darüber hinaus die Toten nichtrussischer Nationen der Sowjetunion, wie u. a. Bela-rus und die Ukraine.

Mombacher Mahnmal für die Toten aus der Sowjetunion.

Bild: Julia Röttjer, 2024.