Pirmasens, Rheinland-Pfalz

Vertreibung von Jüdinnen und Juden – die „Polenaktion“ in Pirmasens

Im Oktober 1938 wurde die Pirmasenser Familie Baumöhl Opfer der ersten großen Vertreibung von Jüdinnen und Juden aus Deutschland. Insgesamt wurden 40 Personen aus Pirmasens deportiert. Emanuel Baumöhl und seiner Mutter gelang schließlich aus einem von den Nationalsozialisten eingerichteten Ghetto die Flucht zurück in die Pfalz, wo sie zur Zwangsarbeit herangezogen wurden.

Deportation von Pirmasens nach Polen 

Emanuel Baumöhl wurde 1928 in Pirmasens geboren. Sein Vater Berich Süsser war polnisch-stämmiger Jude. Die Mutter Anna, eine Katholikin aus Kleinhausen, war Berichs zweite Frau und vor der Heirat zum Judentum konvertiert. Da die Nationalsozialisten die in Polen von einem Rabbiner geschlossene Ehe von Berichs Eltern nicht anerkannten, musste die Familie mit den vier Kindern aus erster Ehe und den gemeinsamen Söhnen Obed und Emanuel den Mädchennamen von Berichs Mutter – Baumöhl – annehmen.

Ende Oktober 1938 wurde die Familie Opfer der sogenannten „Polenaktion“, der ersten großen Deportation im Nationalsozialismus. Tausende Jüdinnen und Juden, die schon lange in Deutschland lebten, mussten plötzlich ihr Zuhause verlassen. Sie hatten zwar nach der Gründung der Zweiten Polnischen Republik 1918 die polnische Staatsangehörigkeit erhalten, aber oft sprachen sie kein Polnisch und hatten wenige oder keine Verbindungen nach Polen. Aus Pirmasens wurden zu diesem Zeitpunkt 40 Jüdinnen und Juden an die polnische Grenze verschleppt und dort ausgesetzt.

„Pro Waggon bewachten uns zwei Polizisten bis zur polnischen Grenze. […] Bei strömendem Regen und furchtbarer Kälte mussten wir die Waggons verlassen. Entlang der Gleise wurden wir über das sogenannte Niemandsland auf die polnische Seite getrieben. Doch die Polen ließen die Menschen nicht in ihr Land, so dass wir einige Tage unter freiem Himmel auf den Gleisen verbringen mussten.“

So beschrieb Emanuel Baumöhl seine Deportation aus Pirmasens an die polnische Grenze 1938. 

Die Familie Baumöhl erreichte schließlich Rawa-Ruska in Ostpolen, Berichs Geburtsstadt. In der ersten Septemberhälfte 1939 besetzte das Deutsche Reich West- und Zentralpolen – der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Am 17. September 1939 marschierte die Sowjetunion in Ostpolen ein, gemäß des Hitler-Stalin-Pakts. Im Juni 1941 überfiel Deutschland die Sowjetunion. Die Deutschen richteten in Rawa-Ruska im Herbst 1942 ein jüdisches Ghetto ein. Dort wurden vor den Augen des 14-jährigen Emanuel und seiner Mutter sein Vater Berich und sein Bruder Obed von einem SS-Mann erschossen.

Bronzestelen des Trierer Künstler Clas Steinmann (geb. 1941) am Bahnhofsvorplatz als Gedenkort für die Opfer des Nationalsozialismus. Meist an ihren letzten Wohnorten wurden dazugehörige dezentrale Tafeln installiert.

Bild: Gerd Eichmann, Lizenz CC BY-SA 4.0.

Seit Ende 2018 informiert am Amtsgericht in der Bahnhof­straße eine Sachtafel über die „Polenaktion“.

Bild: Daniel Bohrmann, 2024

Flucht zurück in die Pfalz 

Mutter und Sohn gelang 1944 eine abenteuerliche und langwierige Flucht zu Annas Schwester ins pfälzische Ixheim. Dort wurden sie jedoch verhaftet und zur Zwangsarbeit eingeteilt. Anna Baumöhl durfte weiterhin bei ihrer Schwester leben, Emanuel kam zum Landwirt Max Teuscher in die Zweibrücker Gutentalstraße, wo er sich einigermaßen sicher fühlte.

Nach dem Krieg wurde Emanuel als staatenlose Displaced Person geführt. Als er Isolde Jost kennenlernte, half sie ihm, seine Schulbildung nachzuholen. Damit Isolde nicht durch eine Eheschließung mit Emanuel ihre Staatsbürgerschaft verlor, heirateten sie erst, nachdem der in Pirmasens Geborene 1952 die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten konnte. Die beiden gründeten eine Familie und zogen ins Saarland.

Vom 21-jährigen Emanuel Baumöhl ausgefülltes „Gesuch um Hilfe“ an die Vorbereitende Kommission der Internationalen Flüchtlingsorganisation vom 13. April 1949. Sein Auswanderungsziel zu diesem Zeitpunkt: Argentinien.

Bild: Arolsen Archives, DocID 78915256.