Stadecken-Elsheim, Rheinland-Pfalz
Stein des Anstoßes: Deutsch-Polnische Erinnerung
Wegen eines intimen Verhältnisses zu der Elsheimerin Margarete Hess wurde der polnische Zwangsarbeiter Leon Szczepaniak im Mai 1942 hingerichtet. Margarete Hess wurde misshandelt und erhielt eine lange Gefängnisstrafe. 1975 bewirkte der katholische Pfarrer Ludwig Hellriegel die Aufstellung eines Gedenksteins. Ein besonderes Zeichen mit Folgen – bis heute.
Missachtung von „Deutschtum und Frauenwürde“
Leon Szczepaniak wurde am 10. Februar 1912 in Lisice, Kreis Kolo (Koło) bei Posen in der Woiwodschaft Großpolen geboren. Im Alter von sieben Jahren war er bereits Vollwaise und zog gemeinsam mit seiner älteren Schwester nach Lodz (Łódź).
Nach dem deutschen Überfall auf Polen 1939 geriet Leon Szczepaniak als Unteroffizier der polnischen Armee in deutsche Kriegsgefangenschaft. Die Deutschen brachten ihn zur Arbeit in der Landwirtschaft ins rheinhessische Elsheim, wo er Margarete Hess kennenlernte. Im Jahr 1941 erhielt der Bürgermeister eine Anzeige über ein Verhältnis des 29-jährigen Polen und der 22-jährigen Deutschen – und leitete sie nach Wiesbaden weiter. Daraufhin wurde Leon Szczepaniak am 1. September in Sonderhaft genommen. Zugleich nahmen Gestapobeamte Margarete Hess fest und misshandelten sie. Sie wurde zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt – sie habe „ihr Deutschtum und ihre Frauenwürde vergessen“. Leon Szczepaniaks Antrag auf „Eindeutschung“ lehnten die Behörden ab, und man brachte ihn am 27. Mai 1942 zurück nach Elsheim. Auf dem Gelände des heutigen Sportplatzes wurde er im Beisein der polnischen Zwangsarbeiter:innen aus der Umgebung gehängt. Ein Standesbeamter gab zynischerweise als Todesursache zu Papier: „Genickbruch“. Der Leichnam wurde anonym in Mainz auf dem Hauptfriedhof bestattet.
Ein Gedenkort, der Raum zur Versöhnung schafft
30 Jahre später engagierte sich der katholische Pfarrer Ludwig Hellriegel (1932–2011) für die Aufarbeitung dieses NS-Verbrechens und unternahm umfangreiche Recherchen. Der von ihm als Zeichen der Versöhnung angeregte Gedenkstein wurde im Ort kontrovers diskutiert und rief Widerstand hervor. 1975 wurde er von politischen Vertreter:innen aus Deutschland und Polen feierlich eingeweiht. Eine anschließende Fahrt katholischer Pfadfinder nach Polen legte den Grundstein für deutsch-polnische Freundschaften in den kommenden Jahrzehnten.
Bild: Filmausschntt, SWF-1, 1976.
Bild: Filmausschntt, SWF-1, 1976.
„[D]as Allerpositivste daran ist, dass wir jetzt zu Hause hier in Elsheim bei unseren Jugendlichen […] erreicht [haben], dass ein ganz anderes Bild von Polen und speziell von polnischen Jugendlichen gezeigt wird und der schönste Erfolg ist vielleicht, dass man also dieses negative Wort Polack, mit dem man doch hier so vorher alles abgetan hat, dass das praktisch ausgelöscht ist […].“Pfadfinder im SWF-1-Rheinland-Pfalz-Beitrag vom 22. Januar 1976
Aus Anlass des 80. Jahrestags der Ermordung Leon Szczepaniaks 2022 lud die Ortsgemeinde Stadecken-Elsheim zu einer Gedenkfeier. Die Bemühungen um die deutsch-polnische Verständigung durch die Erinnerung an die Geschichte werden vor Ort weiter getragen.
Bild: Christof Schimsheimer, 2022.