Völklingen, Saarland
Mehr als 12.000 Zwangsarbeiter:innen für die Völklinger Hütte
Weil sie in ihrer Freizeit das Kreisgebiet verlassen hatten, wurden Krystyna Kaplan und Zofia Schulz, polnische Zwangsarbeiterinnen bei den „Röchlingschen Eisen- und Stahlwerken“, vom betriebseigenen Schnellgericht zu drei Wochen „Arbeitserziehungslager“ Etzenhofen verurteilt. Sie waren zwei von über 12.000 Zwangsarbeiter:innen
der Völklinger Hütte.
„Völlige Nichtachtung“
Ab Sommer 1940 forderte die Völklinger
Hütte Zwangsarbeiter:innen an, deren Zahl schließlich auf mehrere Tausend Menschen gleichzeitig anwuchs. Die ersten Zwangsarbeiter waren bereits am 6. August 1940 in der Völklinger Hütte eingetroffen, Kriegsgefangene aus Frankreich. Wenig später untersagten Mitglieder der Betriebsleitung, mit den Zwangsarbeitern einen annähernd menschlichen Umgang zu pflegen, sie seien mit „völliger Nichtachtung“ zu behandeln. Die ersten zivilen Zwangsarbeiter, die kurz darauf zur Hütte gelangten, kamen aus Polen und Frankreich. Danach kamen Zwangsarbeiter:innen aus Italien, Serbien, Spanien und ab dem Frühjahr 1942 sowjetische Kriegsgefangene und auch zivile Zwangsarbeiter:innen aus der Sowjetunion, sogenannte „Ostarbeiter“.
Ein eigenes Straflager für die Hütte
Wenn uns die Wachmänner […] um 1 oder 2 Uhr morgens [weckten], ließen sie uns im Hof manchmal bis zu einer Stunde langlaufen, auf allen vieren gehen, [uns] längs hinwerfen, den Entengang machen; wenn wir in dieser abschließenden Position waren, traten uns die Wachmänner auf den ganzen Körper.Aussage des polnischen ZwangsarbeitersFerdinand Michałkiewicz über das -„Arbeitserziehungslager“ Etzenhofen
Nach ihrer Einlieferung in das „Arbeitserziehungslager“ zu Beginn 1944 waren Krystyna Kaplan und Zofia Schulz drei Wochen Schwerstarbeit, extrem schlechter Verpflegung, Schikanen und Misshandlungen ausgesetzt. Das war die Strafe für ihr „Vergehen“, eine in der Freizeit unternommene Fahrt ins südpfälzische Edenkoben, wo sie Zwangsarbeit geleistet hatten, bevor sie nach Völklingen gekommen waren. Die 22-jährige Krystyna und die erst 16jährige Zofia blieben schließlich noch bis zum 30. November 1944, bis zum Ende, in der Völklinger Hütte.
Bild: Archiv Saarstahl.
Bild: Julia Röttjer, 2024.
Ende 1944: Tausende Zwangsarbeiter:innen „verschwinden“ wieder
Seit Mai 1944 war Völklingen alliierten Luftangriffen ausgesetzt. Im Herbst 1944 begannen angesichts der näher rückenden Front Vorbereitungen für die Räumung weiter Teile des Saarlands. Erste Brücken wurden von der Wehrmacht gesprengt, so dass verschiedene Zulieferbetriebe und Transportwege abgeschnitten waren. Ende November wurde die Stadt Völklingen weitgehend evakuiert. In der Hütte sollte nur eine Notbelegschaft zurückbleiben. Je nach historischer Quelle befanden sich an diesem Stichtag in den Lagern noch 5.600 bis 6.935 ausländische Arbeitskräfte.
Es ist in weiten Teilen noch unklar, wie die Räumung der Hütte vor sich ging, wie mehrere Tausend Menschen durch die menschenleere Stadt zogen, an welchen Orten sie schließlich befreit wurden und ihr weiteres Schicksal als Displaced Persons selbst in die Hand nehmen konnten.