Leon Dudas

Leon Dudas

Der polnische Kriegsgefangene Leon Dudas lernte bei der Zwangsarbeit die deutsche Witwe Elisabeth Brauer kennen. Ihre intime Beziehung, mit der sie gegen die menschenverachtende NS-Ideologie verstießen, endete tragisch. Leon wurde gehängt, Elisabeth nahm sich das Leben und hinterließ einen Sohn. Ein „Lebenszeichen“ vor Ort gibt es nicht.

Leon Dudas wurde am 21. Juli 1916 im galizischen Burkanów nordöstlich von Stanislau (pl. Stanisławów), dem heutigen westukrainischen Iwano-Frankiwsk, geboren. Von seinem Vater Franciszek Dudas berichtet er, er sei russischer Soldat gewesen, der 1917 fiel, so dass Leon Dudas seinen Vater nie kennenlernte. In zweiter Ehe war seine Mutter Antonie, geborene Dudas, mit Herrn Bajsarowicz verheiratet. Der Vorname seines Stiefvaters ist nicht überliefert. Leons Mutter starb 1933, sein Stiefvater drei Jahre später. Über den sechs Jahre jüngeren Halbbruder Józef Bajsarowicz ist nichts weiter bekannt.

Leon Dudas besuchte zunächst sechs Jahre lang die polnische Volksschule und arbeitete anschließend in der Landwirtschaft. Am 21. März 1939 rückte er ins 51. polnische Infanterieregiment ein. Er gibt dazu an:

„Mit diesem R[egiment] wurde ich am 1.9.39 verladen. In der Gegend von Kielce wurde der Transportzug von deutschen Flugzeugen bombardiert und vernichtet. Mit einigen Kameraden flüchtete ich in den nahen Wald und wurde dort am 10.9.39 von deutschen Panzerschützen gefangen.“

Als polnischer Kriegsgefangener wurde er ins Reich verschleppt und durchlief zunächst die Kriegsgefangenenlager Görlitz, Limburg und Frankenthal, bevor er als Zwangsarbeiter in Kerzenheim bei dem Ortsbauernführer David Schneider eingesetzt wurde. Später wurde er „aus der Kriegsgefangenschaft entlassen“ und wurde damit zum zivilen Zwangsarbeiter.

Am 22. September 1942 wurden Leon Dudas und die Kriegswitwe Elisabeth Brauer, die ein Jahr zuvor als Erntehelferin bei Ortsbauernführer David Schneider gearbeitet hatte, von Feldhüter Phillip Bach angezeigt: Phillip Bach hatte die beiden zusammen in ein Waldstückchen verschwinden sehen und vermutete „verbotenen Umgang“ – eine sexuelle Beziehung zwischen der deutschen Frau und dem polnischen Zwangsarbeiter. Die Polenerlasse vom 8. März 1940 verboten Beziehungen zwischen Pol:innen und Deutschen.

Auf der schwarz-weiß Fotografie ist ein Mann in drei Abschnitten zu sehen: Links im Profil mit seiner rechten Gesichtshälfte zur Kamera, in der Mitte frontal, auf der rechten Seite im Profil mit seiner linken Gesichtshälfte Richtung Kamera
Mit seiner Inhaftierung wurde Leon Dudas durch die Gestapo in Neustadt an der Weinstraße fotografiert.

Landesarchiv Speyer, Bestand H911-23133

Elisabeth Brauer und Leon Dudas wurden beide noch am selben Tag verhört. Beide gaben an, bereits ein Jahr zuvor ein Verhältnis miteinander gehabt zu haben. Während im Protokoll zum Verhör von Elisabeth Brauer lediglich von Geschlechtsverkehr die Rede ist, spricht Leon Dudas von Liebesanträgen und sogar einem Heiratsantrag:

„Auch machte ich der Brauer einen Heiratsantrag. Sie war auch damit einverstanden und sagte zu mir, daß ich doch ledig und sie nun Witwe sei und wir uns nach dem Kriege heiraten könnten. Wir haben uns dann noch gegenseitig die Ehe versprochen.“

Im Winter sei Elisabeth Brauer zu ihren Eltern gefahren, im Sommer habe sie einige Wochen mit Ohren- und Halsleiden im Krankenhaus verbracht, so dass sich die beiden erst im Herbst 1942 wiedersahen. Am 22. September hatte Dudas einen Jungen mit einer Mark zum damals siebenjährigen Sohn von Elisabeth Brauer geschickt, damit ihm dieser ein Bier kaufte. An seiner Stelle tauchte Elisabeth Brauer nach einer Weile am Waldrand auf und pfiff nach ihm, woraufhin sich die beiden im Waldstück trafen. Sie habe ihm die Mark zurückgegeben, weil es kein Flaschenbier gegeben habe.

Dudas gab schließlich zu Protokoll er habe Bedenken gegenüber Elisabeths Avancen geäußert:

„Ich hatte Bedenken, daß uns jemand überraschen könne und lehnte ab. Die Brauer ließ aber nicht nach. Obwohl ich zu ihr sagte, daß im Felde Leute arbeiten und sicher gemerkt hatten, daß ich in den Wald gegangen sei und ich gehängt werde falls es aufkomme, suchte die Brauer dadurch meine Bedenken zu zerstreuen, daß sie sich dann vergiften werde, wenn ich gehängt würde.“

Als Elisabeth Brauer noch am Abend des Verhörs Essigessenz trank und daraufhin mit schweren Verätzungen ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wertete die Gestapo dies vor dem Hintergrund des Verhörs von Leon Dudas als Schuldgeständnis. Einen Tag später, am 23. September 1942, erlag Brauer schließlich ihren Verletzungen.

Obwohl seine Exekution bereits beschlossen war, wurde Leon Dudas am 14. Dezember wegen eines schweren Abszesses in der Brustgegend ins Gefangenenlazarett ins StaLag Frankenthal eingewiesen. In einem Fernschreiben der Gestapo heißt es dazu:

„Dudas befindet sich z. Zt. in Frankenthal im Lazarett. Ich werde feststellen, ob er wieder geheilt ist und dich heute noch am Fernschreiber entsprechend verständigen. Wenn es möglich, also am Dienstag die Exekution. Jo, da stelle ich mal fest ob der Dudas transportfähig ist. Ich muss dem Chef gleich darüber berichten. Dann macht die Üblichen Vorbereitungen.“

Am 22. Dezember 1942 wurde Leon Dudas in der Nähe des „Tatorts“ des angeblichen Vergehens gehängt.  Etwa 130 polnische Zwangsarbeiter:innen, die in der Umgebung beschäftigt waren, sollten zur Abschreckung  im Anschluss an die Erhängung am Leichnam vorbeigeführt werden. Die überlieferte Korrespondenz der Gestapo zeigt die minutiöse Planung der Exekution: Der Ort wurde strategisch ausgesucht, zur Abschreckung wurden Landsleute von Dudas zum Anschauen seines Leichnams gezwungen. Zwei junge polnische Zwangsarbeiter wurden genötigt, die Exekution durchzuführen. Ein Arzt stand bereit, um den Tod festzustellen, die Anatomie der Universitätsklinik Heidelberg war bereits im Vorhinein angefragt worden, ob dort Verwendung für den Leichnam sei.

Ein Erinnerungszeichen, das an Leon Dudas und Elisabeth Brauer erinnert, fehlt bislang.

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